Unternehmer markengebundener Kfz-Betriebe, die ihren Händlervertrag verlieren oder abgeben, sollten einen kühlen Kopf behalten. Wichtig ist, die eigenen Handlungsoptionen genau zu prüfen und wichtige Partner und Mitarbeiter in den Transformationsprozess einzubeziehen.
Auszug aus Interview mit der Fachzeitschrift kfz-Betrieb mit BrandtPartners
Im Rahmen des Wandels im Automobilvertrieb und Service passen viele Hersteller ihre Netzstrukturen an. Zudem wird es wohl zu angepassten Branchenregulierungen kommen: Die Vertikal-GVO (Verordnung EU-Nr. 330/2010) bildet den wettbewerbsrechtlichen Rahmen für den Vertrieb von Automobilen. Sie läuft zum 31. Mai 2022 aus. Die für den Ersatzteilvertrieb relevante Kfz-GVO (461/2020) läuft 2023 aus.
Autohaus Unternehmern und Management wird empfohlen, sich über die zukünftige Marktrelevanz und daraus resultierende strategische Unternehmensausrichtung Gedanken machen.
Worauf sollte ein Automobilhändler, bei Auslaufen seines Händlervertrag achten?
Zunächst ist wichtig, als Unternehmer einen klaren Kopf zu behalten und in keinem wilden Aktionismus zu verfallen. Vielmehr sollte der Unternehmer seine Handlungsspielräume klären und einen Maßnahmenplan für den Kündigungszeitraum abstecken, um das laufende operative Geschäft nicht zu gefährden.
Er muss sofort prüfen, ob die Kündigung rechtlich wirksam ist. Man sollte aber dabei bedenken, dass eine Auseinandersetzung mit dem Hersteller nur in Einzelfällen zielführend ist. Effektiver ist es, die zukünftigen Netzpläne des Herstellers zeitnah in Erfahrung zu bringen und diese in die eigenen Zukunftsüberlegungen einzubeziehen. Zudem muss der Unternehmer unverzüglich eine einheitliche und vor allem vertrauensbildende und fortführungsorientierte Sprachregelung finden, da Händlervertragskündigungen schnell publik werden. Schleichende Nachrichten können das Vertrauensverhältnis der Mitarbeiter zum Unternehmen, aber auch das der Kunden und der Finanzierungspartner erschüttern.
Welche Sofortmaßnahmen sind wichtig?
Der Kfz-Unternehmer sollte unverzüglich die Hausbanken informieren, bevor es andere tun. Das schafft grundlegendes Vertrauen. Selbst in latenten Krisensituationen sind die Banken erfahrungsgemäß bereit, den vorhandenen Status-Quo beizubehalten und dem Unternehmen die erforderliche Zeit zu gewähren, damit dieses seine Neuausrichtung auch wirklich m Detail planen und umsetzen kann. Analog verhält es sich bei den Banken, die die Fahrzeugbestände finanzieren.
Im Falle der Herstellerbanken muss der Händler wissen, wie deren Abwicklungsstrategie während und zum Ende des Kündigungszeitraums aussieht. Sie nutzen gerne kurzfristig erhöhte Prolongationszahlungen, Limitierungen der Bestandskredite, Absenkung von Beleihungswerten sowie den Entzug der Eigenverwaltung von KFZ Briefen, um das eigene Risiko zu senken.
Ein weiteres, oft unterschätztes Thema ist die IT-Sicherheit. Der Kfz-Unternehmer sollte frühzeitig seine EDV-Systeme so umrüsten, dass sensible Unternehmensdaten wie beispielsweise der Kundenstamm nur schwer abgezogen werden kann.
Große Bedeutung kommt in dieser Situation auch der Mitarbeiterbindung über vertrauensbildende Maßnahmen zu. Unsere Empfehlung ist, Leistungsträger in die unternehmerischen Überlegungen einzubinden. Denn sie sind Multiplikatoren auch für alle anderen Mitarbeiter und unterstützen den Unternehmer in der schwierigen Phase der Neuausrichtung. Der Unternehmer muss die Mitarbeiter umso intensiver einbinden, je näher das Ende der vertragsgebundenen Tätigkeit naht. Denn sonst können sie schnell durch andere Handler, die im Netz verbleiben, abgeworben werden.
Wie sollte die Transformation vonstattengehen?
Auf Basis einer Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse (SWOT-Analyse) sollte der Unternehmer erst einmal realistisch prüfen, ob er den Betrieb weiterhin eigenständig erfolgreich weiterführen kann. Der Wandel im Automobilhandel bringt nicht nur kritische Facetten mit sich, sondern schafft auch neue Möglichkeiten, unternehmerisch erfolgreich am Markt tätig zu sein. Die Digitalisierung bietet viele neue Möglichkeiten. Zudem gibt es zunehmend einen Trend zu Netzwerken und Kooperationen, um gemeinsam mit Anderen neue Stärke zu erreichen. Wir entwickeln und begleiten derartige Netzwerkverbünde.
Kann man auch als Servicepartner weitermachen?
Wenn ein auskömmlicher Kundenstamm vorhanden, kann es sinnvoll sein, rechtzeitig vor dem Ende der bisherigen Vertragslaufzeit einen neuen Servicevertrag zu beantragen. Sofern keine grundlegende Abweichungen zur Netzplanung des Herstellers bestehen, dürfte es unproblematisch sein, einen neuen Servicevertrag zu erhalten, wenn man die Standards erfüllt. Auch Werkstattkonzepte könnten eine interessante Option darstellen. Der Unternehmer muss aber berücksichtigen, dass das Servicegeschäft zunehmend unter Druck kommt und technologisch komplexer wird. Die Renditen der Vergangenheit sollte er daher nicht als Rechengrundlage für seine Zukunftsüberlegungen machen.
Gibt es alternative Handlungsoptionen?
Es gibt vielfältige Möglichkeiten für den Handel mit Fahrzeugen ohne Herstellerauflagen. Aber aufgepasst, der Automobilhandel in Deutschland ist deutlich übersättigt und das Kaufverhalten ändert sich. Fahrzeugbesitz nimmt an Bedeutung weiter ab, der Trend geht strategisch hin zu Pay per Use Modellen, also bezahlter Nutzung.
Eine weitere, aber nur eingeschränkt praktizierbare Möglichkeit besteht darin, Marken auszutauschen. Heißt, alte Marke raus, Vertragsabschluss mit neuer Marke. Diese Variante funktioniert aber nur, wenn das Marktsegment annähernd übereinstimmt und der Händler dem Kunden glaubhaft vermitteln kann, warum er das Produkt verändert hat. Im Raum steht aber auch bei dieser Strategie die Frage, wie langfristig der neue Hersteller orientiert ist. Denn die Netzbereinigung ist kein Phänomen einzelner Hersteller.
Was empfehlen Sie, wenn die Perspektiven fehlen?
Dann bleibt nur die Abwicklung des Unternehmens, dessen Verkauf oder aber die Fusion mit einem Anderen. Leider erfolgt diese Entscheidung oft aus einer bereits geschwächten Verhandlungsposition, da Unternehmer sich mit dieser Entscheidung – verständlicher Weise – schwer tun und somit wertvolle Zeit zum aktiven Handeln verstreicht.
In dieser Situation ist es unerlässlich, eine frühzeitige Liquidationsplanung aufzusetzen und das Cash-Management abzusichern. Um dem Verdichten von Krisensituationen vorzubeugen, gilt es, Bestände aktiv zu managen, Kosten zu senken und die Umsätze weitgehend stabil zu halten. Die Zahlungsangebote, die die Hersteller zur Abgeltung
der Händleransprüche bei Vertragsaufhebung oft frühzeitig anbieten, sollte der Unternehmer sorgsam und kritisch prüfen. Dabei dürfte es für ihn per Saldo von Vorteil sein, wenn er hierzu externen Sachverstand einbezieht.
Beratung und Begleitung
Ein abgesichertes Zukunftsverständnis und ein abgesichertes Handeln ist erfolgskritisch. Jan Brandt sieht dies als Chance und Herausforderung zugleich, Autohaus Unternehmer und Management bei strategischen Weichenstellungen zu unterstützen. Als Experte für Automotive Vertriebs- und Aftersales Strukturen ist er tief im Thema und kennt die Handlungsbedarfe im Automobilhandel im Detail. Er begleitet u.a. Autohaus-Unternehmer und Automobilhandelsgruppen in kritischen Unternehmensphasen, bei Transformationsvorhaben und bei der wirksamen Umsetzung von Zukunftsthemen.
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